Finanzverwaltung erleichtert Vorsteuerabzug aus Lieferungen bei der Umsatzsteuer
Im Umsatzsteuergesetz ist geregelt, dass eine Rechnung die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände beziehungsweise den Umfang und die Art einer sonstigen Leistung enthalten muss. Hinter den Worten „Art der gelieferten Gegenstände“ steht in Klammern: „Handelsübliche Bezeichnung“.
Fraglich war lange, ob dieser Klammerzusatz eine Verschärfung beinhaltet. Für Klarheit hatte dann der Bundesfinanzhof gesorgt. Die höchsten deutschen Steuerrichter haben entschieden, dass der Klammerzusatz unionsrechtskonform einschränkend dahingehend auszulegen sei, dass dies keine zusätzliche – verschärfende – Voraussetzung für den Vorsteuerabzug darstelle. Vielmehr sei nach verschiedenen Verkehrskreisen – nämlich dem Handel mit Waren im mittleren und oberen Preissegment einerseits und dem Handel mit Waren im Niedrigpreissegment andererseits – zu differenzieren. Die Handelsüblichkeit einer Bezeichnung sei immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig, wie etwa der jeweiligen Handelsstufe, Art und Inhalt des Geschäftes und insbesondere dem Wert der einzelnen Waren.
Im Klartext heißt das: Auch wenn in der Rechnung eine Bezeichnung gewählt wurde, die nicht die Definition „Angabe der Art“ erfüllt, genügt sie trotzdem den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung, sofern sie eine handelsübliche Bezeichnung darstellt.
Das Bundesfinanzministerium hat dies aufgegriffen, aber zunächst klargestellt: Insgesamt muss die Bezeichnung einer Leistung in der Rechnung sowohl für umsatzsteuerliche Zwecke als auch für die Erfordernisse eines ordentlichen Kaufmanns den Abgleich zwischen der gelieferten und der in Rechnung gestellten Ware ermöglichen. So muss auch ausgeschlossen werden können, dass eine Leistung mehrfach abgerechnet wird. Die erbrachte Leistung muss sich eindeutig und leicht nachprüfen lassen (sogenannte Kontrollfunktion der Rechnung).
Tipp: Regelmäßig wird die grundlegend erforderliche Angabe der Art der gelieferten Gegenstände mit deren handelsüblicher Bezeichnung übereinstimmen. Wenn eine Bezeichnung gewählt worden ist, die der Definition „Angabe der Art“ nicht entspricht, kann diese trotzdem ausnahmsweise ausreichend für eine den Vorschriften entsprechende Leistungsbeschreibung sein, wenn sie eine handelsübliche Bezeichnung darstellt.
Die Handelsüblichkeit einer Bezeichnung ist immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig, wie etwa der jeweiligen Handelsstufe, der Art und dem Inhalt des Geschäfts und insbesondere dem Wert der einzelnen Waren. Im Ergebnis können – wenn auch wohl nur im Niedrigpreissegment – auch Gattungsbezeichnungen wie „T-Shirts“, „Blusen“, „Hosen“, „Uhren“, oder „Handyhüllen“ auf der betroffenen Handelsstufe handelsüblich sein – ohne Angaben der Größen und Modelle. Das gilt in allen offenen Fällen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind allerdings keine allgemeingültigen Aussagen möglich, wann eine Bezeichnung als handelsüblich angesehen werden kann und wann nicht. Vielmehr muss dies unter den Umständen des Einzelfalls entschieden werden. „Handelsüblich“ ist eine Bezeichnung dann, wenn sie unter Berücksichtigung von Handelsstufe, Art und Inhalt der Lieferungen den Erfordernissen von Kaufleuten im Sinne des Handelsgesetzbuches genügt und von Unternehmern in den entsprechenden Geschäftskreisen allgemein (das heißt nicht nur gelegentlich) verwendet wird.
Im Zweifel muss ein Sachverständiger entscheiden, ob die Angaben handelsüblich sind. Es empfiehlt sich, ein Gutachten – sollte es erforderlich sein – erst im Klageverfahren vor dem Finanzgericht zu erstellen. Ein vorher in Auftrag gegebenes Gutachten dürfte als Parteigutachten nicht akzeptiert werden.
Tipp: Wer unnötigen Ärger mit einem Umsatzsteuer-Sonderprüfer vermeiden will, sollte Lieferanten auffordern, die Art der gelieferten Gegenstände möglichst genau zu bezeichnen. Zum Beispiel durch die Angabe der Artikelnummern. Unternehmer sollten daher alle Eingangsrechnungen zeitnah prüfen und bei fehlerhaften oder unvollständigen Angaben vom Vertragspartner eine korrigierte Rechnung anfordern. Idealerweise geschieht dies, bevor die Rechnung bezahlt wird. In manchen Fällen kann auch der Verweis auf den Lieferschein helfen, wenn die Artikel dort genauer beschrieben werden.
Nach der umstrittenen Auffassung des Bundesfinanzministerium ist der Unternehmer in Zweifelsfällen nach den allgemeinen Regeln nachweispflichtig, dass eine in der Rechnung aufgeführte Bezeichnung (zum Beispiel eine bloße Gattungsbezeichnung wie „T-Shirts“, „Bluse“) auf der betroffenen Handelsstufe handelsüblich ist. Die sogenannte Beweislast soll also beim Unternehmer liegen.
Tipp: In der Fachliteratur wird das kritisch gesehen. So wird die Auffassung vertreten, dass nach dem Grundsatz der Amtsermittlung die Frage der Handelsüblichkeit einer Bezeichnung auch vom Finanzamt zu klären ist.
Die Finanzverwaltung sieht übrigens handelsübliche Sammelbezeichnungen als ausreichend an, wenn sie die Bestimmung des anzuwendenden Steuersatzes eindeutig ermöglichen. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass nennt als Beispiele Baubeschläge, Büromöbel, Kurzwaren, Schnittblumen, Spirituosen, Tabakwaren und Waschmittel. Bezeichnungen allgemeiner Art, die Gruppen verschiedenartiger Gegenstände umfassen – wie zum Beispiel Geschenkartikel – sollen hingegen nicht ausreichen.
Sehr wichtig ist, dass die Angabe einer alternativen handelsüblichen Bezeichnung nur bei Lieferungen möglich ist. Bei sonstigen Leistungen ist nach dem Gesetzeswortlaut keine entsprechende Angabe vorgesehen. Vielmehr müssen die Angaben zu einer sonstigen Leistung eine eindeutige Identifizierung der abgerechneten Leistungen ermöglichen. Der Umfang und die Art der erbrachten Dienstleistungen sind zu präzisieren
Tipp: Dies bedeutet jedoch nicht, dass die konkreten erbrachten Dienstleistungen erschöpfend beschrieben werden müssen. Das hatte der Bundesfinanzhof unter Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits in 2019 klargestellt. Besser ist es aber natürlich auch hier, Dienstleister zu bitten, die sonstige Leistung möglichst konkret zu beschreiben.
Allein nicht ausreichend sind allgemeine Angaben wie „Erbringung juristischer Dienstleistungen“, „Bauarbeiten“, „Beratungsleistungen“, „Kosten für Werbung laut Absprache“, „Akquisitions-Aufwand“ oder „Reinigungskosten“. Diese erfüllen nicht die erforderliche Kontrollfunktion.
Tipp: Positiv ist für Unternehmer, dass sich die erbrachte sonstige Leistung auch aus anderen Unterlagen als der Rechnung ergeben kann.
Finanzämter dürfen keine überzogenen Anforderungen an Rechnungen stellen
Ganz generell gilt, dass die Finanzverwaltung im Hinblick auf den Vorsteuerabzug an Rechnungen keine überzogenen Anforderungen stellen darf. Das gilt auch in Bezug auf die Angabe des Zeitpunkts, zu dem eine Leistung erbracht worden ist.
Für den Vorsteuerabzug ist es auch erforderlich, dass der Zeitpunkt der Leistung in der Rechnung angegeben wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann sich die Angabe des Leistungszeitpunkts jedoch aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben. Und zwar in den Fällen, bei denen nach den Verhältnissen des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Werklieferung oder die Werkleistung in dem Monat erbracht wurde, in dem die Rechnung ausgestellt wurde.
Tipp: Nach der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung kann als Zeitpunkt der Lieferung oder der sonstigen Leistung der Kalendermonat angegeben werden, in dem die Leistung ausgeführt wird. Der Leistungszeitpunkt muss daher nicht taggenau festgestellt werden. Es genügt, wenn nach der Würdigung der Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass die Leistung im Abrechnungsmonat erbracht wurde. Davon ist auszugehen bei Werklieferungen und bei Werkleistungen von Subunternehmern.
Besonderheiten beim Betriebsausgabenabzug für Bewirtungskosten
Voricht Falle: Bei einer Bewirtungsleistung muss die Rechnung in Bezug auf den Abzug als Betriebsausgaben die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung enthalten. Dies gilt auch für Kleinbetragsrechnungen.
Buchstaben, Zahlen oder Symbole, wie sie für umsatzsteuerliche Zwecke ausreichen, genügen für den Betriebsausgabenabzug nicht. Bewirtungsleistungen sind im Einzelnen zu bezeichnen. Die Angabe “Speisen und Getränke” und die Angabe der für die Bewirtung in Rechnung gestellten Gesamtsumme reichen nicht.
Tipp: Bezeichnungen wie zum Beispiel “Menü 1”, “Tagesgericht 2” oder “Lunch-Buffet” und aus sich selbst heraus verständliche Abkürzungen sind jedoch nicht zu beanstanden.
Stand: 03.07.2022